1.4 Verträge mit internationalem Bezug

Rechteinhaber von Urheberrechten üben ihre Rechte in der Regel auf
vertraglichem Weg aus, etwa in Form von Lizenzvereinbarungen
(Nutzungsverträge)
oder Rechteübertragungen
usw. Wenn ein Vertrag einen Auslandsbezug aufweist, z.B. für ein anderes Gebiet
als das Wohnsitzland des Rechteinhabers gilt oder mit einer im Ausland ansässigen
Vertragspartei abgeschlossen wird oder die Leistung im Ausland zu erbringen
ist, kann es zu einer Kollision verschiedener Rechtsordnungen kommen.

In einer Reihe von internationalen Abkommen zwischen Staaten (beispielsweise
Wiener Übereinkommen über Verträge über den internationalen
Warenkauf vom 11.4.1980
; Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse
anzuwendende Recht (Rom I)
usw.) ist der sog. “Grundsatz der
Parteiautonomie” festgeschrieben. Hiernach können die Vertragsparteien selber
wählen, welches Recht für ihre Vertragsbeziehung zur Anwendung kommt
(Rechtswahl).

Liegen für einen bestimmten Sachverhalt keine solchen internationalen
Abkommen vor, so wird der Grundsatz der Privatautonomie normalerweise im jeweiligen
internationalen Privatrecht
der betroffenen Staaten geregelt. Es gibt
allerdings einige Einschränkungen, etwa in Bezug auf den Arbeitnehmerschutz.
Die Vertragsparteien sind nicht verpflichtet, im Rahmen eines Vertrags mit
Auslandsbezug ein anwendbares Recht zu bestimmen. Bei fehlender Rechtswahl
kommen die kollisionsrechtlichen Regeln der jeweiligen internationalen
Privatrechte zur Anwendung.

Im Schweizer Recht ist der Grundsatz der freien Rechtswahl für Verträge in Art. 116 IPRG explizit festgehalten. In den darauffolgenden
Artikeln legt das IPRG für spezielle Vertragsarten besondere Bedingungen für
die Rechtswahl fest: für Kaufverträge, Verträge über Grundstücke, Verträge mit
Konsumenten, Arbeitsverträge. In Art. 122 IPRG schliesslich werden die für Verträge über
Immaterialgüterrechte (also auch für Verträge über Urheberrechte) geltenden
Bedingungen genannt. Letztere unterstehen, wenn die Parteien in ihrem Vertrag
keine Rechtswahl getroffen haben, dem Recht des Staates, in dem die Person, die
die Immaterialgüterrechte überträgt oder deren Benutzung einräumt, ihren
gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zu beachten ist, dass die freie Rechtswahl bei
bestimmten Verträgen eingeschränkt ist, so etwa bei Arbeitsverträgen (Art. 122
Abs. 3 IPRG).

Im urheberrechtlichen Kontext ist allerdings zu beachten, dass der Verlagsvertrag
nicht als Vertrag im Sinne von Art. 122 IPRG (Vertrag über Immaterialgüterrechte)
betrachtet wird. Der Verlagsvertrag fällt als Schuldvertrag unter Art. 117 IPRG. Danach gilt dann das Recht desjenigen
Staates, an dem diejenige Person, die die charakteristische Vertragsleistung zu
erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei Verlagsverträgen erbringt
die charakteristische Leistung in der Regel der Verleger, weshalb dann das
Recht desjenigen Staates anwendbar ist, in dem der Verleger seinen Sitz hat;
dies alles jedoch nur, wenn die Parteien des Verlagsvertrags keine eigene
Rechtswahl getroffen haben.

Ebenfalls zu beachten sind zwingende Rechtsvorschriften: in Fällen, in denen ausländisches
Recht anwendbar wäre, das zwingenden Bestimmungen des nationalen Rechts zuwider
läuft, müssen die Gerichte die zwingenden Bestimmungen anwenden.

GUT ZU WISSEN

FAQ

1.4-1 Ein Student der Universität Genf mit Wohnsitz in Frankreich wird von der Universität mit einer Übersetzung eines deutschsprachigen Romans beauftragt. Schweizer Recht wird festgelegt. Gilt das für alle, auch für nicht am Vertrag beteiligte Personen?

In der Vertragsbeziehung zwischen dem Student und der Universität kommt das schweizerische Recht zur Anwendung, da die Vertragsparteien von ihrer Parteiautonomie Gebrauch gemacht und eine Rechtswahl getroffen haben (Art. 116 IPRG) . In den Beziehungen mit Dritten dagegen, z. B. mit dem deutschen Autor, gelten die üblichen kollisionsrechtlichen Regeln. Da Dritte keine Vertragspartner dieses Übersetzungsauftrags sind, sind auch die Regelungen dieses Vertrags für die Dritten nicht verbindlich.

1.4-2 Ein in Frankreich wohnender Übersetzer überträgt der Universität Genf seine Urheberrechte an einer Übersetzung. Das anwendbare Recht wird nicht festgelegt. Welches Recht gilt, wenn ein Genfer Gericht für einen Streitfall zuständig ist?

Da die Übersetzerin ihre Urheberrechte übertragen hat, wendet das Genfer Gericht das Schweizerische Internationale Privatrecht (IPRG) an. Dieses sieht in Art. 122 Abs. 1 IPRG vor, dass das Recht des Staates zur Anwendung kommt, in dem die Übersetzerin (also diejenige, die ihre Urheberrechte überträgt) ihren Wohnsitz hat, d. h. französisches Recht.